WG32 – Briefentwurf an Alma Mahler
Toblach, Donnerstag, 4. August 1910
Eben bin ich wo da vor Deinem
Fenster wo ich stundenlang
stierenden Blickes \in den Tannen/ lag
unter Thränen zusammen-
gebrochen \Schluchzen/. Du lebst u
bist gesund auch er
ist am Leben. Die
wahnsinnige Angst um
Dich trieb mich her
vielleicht kann ich
damit etwas von dem
Leid was ich \mein Brief/ Euch gewesen
Seltsam, was Liebe
einem alles eingiebt
ich weiß, ich kann Opfer
für Dich bringen
ich fuhr ohne alle In-
tentionen her, ich wußte
nur, daß ich es nicht vor
meinem Gewissen verant-
worten konnte, wenigstens
den Versuch zu machen, Dich
am äußersten zu hindern.
Ich habe den schwersten
Kampf \meines Lebens/ gekämpft, darauf
zu verzichten, Dich nach diesem
Jammer u Leid einen Au-
genblick zu sprechen,
um Trost zu nehmen
u zu geben.
Du darfst mein
Kommen nicht als Rück-
sichtslosigkeit auffassen
unser Nachrichtenwechsel
beunruhigt mich etwas.
Bist Du in einem hilflos-
en Augenblick von \’s/ Liebe überwältigt
aus Pflicht oder \u/ Edelmut
ganz wieder Gattin geworden?
und fandest nun die innere
Ruhe zum Schreiben nich[t]
Dich Tag u Nacht bewachen
______
ich habe die geliebten Worte
wie ein hungriger verschlungen
Apparat
Überlieferung
, , , .
Quellenbeschreibung
2 Bl. (3 b. S.) – Notizblock.
Druck
Erstveröffentlichung.
Korrespondenzstellen
keine.
Datierung
WG reiste am 3. August 1910 in Berlin ab und nutzte dabei wahrscheinlich die im Reisebüro eruierten und danach in WG19 vom 25. Juli 1910 notierten Verbindungen (s. auch WG31 vom 3. August 1910: Morgen so Gott will!). Somit nahm er wohl entweder den Schnellzug um 20.45 Uhr vom Anhalter Bahnhof (s. WG19, Variante 2) oder den Luxus-Zug um 22.20 Uhr (s. WG19, Variante 4), wobei beide Verbindungen planmäßig am 4. August 1910 um 17.20 Uhr in Toblach ankommen sollten. In den 1950ern berichtete WG persönlich, dass er trotz langer und anstrengender Anreise sofort versucht habe, zum Trenkerhof zu gelangen, um nach AM und zu sehen, dass der Hofhund ihn aber verscheucht und er es erst bei einem zweiten Versuch geschafft habe, zum Trenkerhof vorzudringen (, S. 871). Da WG in dem vorliegenden Entwurf schilderte, wie er endlich und nach längerer Observierung das Paar wohlauf erblickte, scheint eine Datierung auf den Abend des 4. August 1910 am wahrscheinlichsten.
Übertragung/Mitarbeit
(Marie Apitz)
(Jannik Franz)